Wichtiger Lebensraum für Pflanzen und Tiere
Die Auenlandschaft
Auen sind in einer Großstadt wie Köln von großer Bedeutung als Überschwemmungsbereiche, in die sich das Rheinhochwasser ausdehnen kann. Sie dienen den selten gewordenen typischen Pflanzen und Tieren der Aue als Lebensraum. Von besonderer Bedeutung ist vor allem das Wechselspiel von Flutung, Feucht- und Trockenfallen für Flora und Fauna. Diese Überflutungsdynamik bewirkt das Entstehen von ständig neuen Lebensräumen, während alte zerstört werden. Je nach Entfernung zum Flusslauf werden Auen auch als Acker- und Grünland, als Parks oder Erholungsanlagen genutzt.
Die Flittarder Rheinaue
Das Naturschutzgebiet (NSG) Flittarder Rheinaue liegt an der nördlichen Stadtgrenze Kölns in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Industriegebiet Es ist ein ca. 180 Hektar großer Gleithangbereich des Rheines, der wegen vieler typischer und natürlicher Auenelemente und wegen des ungehinderten Hochwassereinflusses als schutzwürdig eingestuft und deshalb auch als NSG ausgewiesen ist. Wertbestimmende Merkmale im Einzelnen sind:
- die gut entwickelte Zonierung der Ufer (Flutrasen, Rohrglanzgras-Röhricht, Weidengebüsch)
- unverbaut erhaltener Gleithang mit typischen Kies- und Sandbänken
- Oberflächenrelief mit vielen auentypischen Kleinformen
- ausgeprägtes und dynamisches Feinrelief der jüngsten TaIstufe
- Hochflutrinne; besondere geologische Bedeutung, da diese Form noch naturnah erhalten ist, was für den Kölner Raum eine Besonderheit darstellt
- Röhrichte, Weidengebüsche und dichte Hochstaudensäume
Die Auenlandschaft als Hochwasserschutz
Köln war seit jeher vom Hochwasser bedroht, dennoch werden die Hochwasserereignisse zunehmend häufiger und bedrohlicher. Von 11 Hochwassern der letzten 100 Jahre fanden alleine 5 innerhalb der letzten 17 Jahre statt. Die dabei aufgetretenen Schäden beliefen sich auf mehrere 100 Millionen DM.
Ohne Hochwasserschutz wären bei den letzten Hochwassern (Jahre 1993 und 1995) in Köln etwa 350.000 Bürgerinnen und Bürger, also mehr als ein Drittel der Kölner Bevölkerung, direkt und indirekt betroffen gewesen.
Höhere Dämme können kurzfristig das Problem lösen. Wo solche Baumaßnahmen nicht unbedingt erforderlich sind, muss man versuchen, statt dessen Auen wiederherzustellen, um dem Wasser Raum zu geben, in das es bei Hochwässern fließen kann (Retensionsräume).
Der Uferbereich
Im Spülsaum des Rheines entstehen aufgrund der Dynamik des Flusses ständig neue vegetationsfreie Kies- oder Sandbänke, auf denen sich bei Trockenheit schnell Pionierpflanzen ansiedeln. Bei Hochwasser werden sie wieder weggeschwemmt, so dass erneut vegetationslose Flächen entstehen, auf denen der Kreislauf bei der nächsten Austrocknung wieder von vorne beginnt Die hier lebenden Arten sind an diese Veränderungen angepasst.
Am Fließgewässer findet man viele Tiere an und unter Steinen und im sandig schlammigen Untergrund, zum Beispiel die Köcherfliegenlarven. Sie bauen ihre schützende Wohnröhre aus Schneckenschalen, Zweigstückchen und Steinchen.
Stark vermehrt haben sich in den letzten Jahren die Wollhandkrabben (Eriocheir sinensis), die um 1900 mit Schiffen aus China eingeschleppt wurden.
Aufgrund der verbesserten Wasserqualität des Rheines konnten sich vom Aussterben bedrohte Arten bis in die Kölner Rheinzone ausbreiten:
- Weisswurm, eine Eintagsfliegen-Art
- Dickschalige Kugelmuschel (Sphaeriumsolidum)
- Flußkahnschnecke (Theodoxusfluviatilis)
Dort wo die Fließgeschwindigkeit des Rheines es zulässt in ruhigeren Bereichen entwickeln sich Iandeinwärts im Anschluss an den Spülsaum Röhrichtbestände, die sowohl längere Überflutungen bis zu ca. einem Meter, als auch kurzzeitiges völliges Austrocknen vertragen.
- Röhrichte (auch Reed, Schilf oder Riede genannt) befestigen das Ufer und schützen es vor Erosionen. Oft unzugänglich sind sie als ungestörter Lebensraum vor allem für störempfindliche Tierarten von besonderer Bedeutung.
Es wird von Vögeln, Insekten und Fischen als Schlafplatz, Brutplatz, Unterschlupf, Brutversteck, Nahrungsraum und zur Deckung gebraucht, und ist dementsprechend für sehr viele Arten wichtiger Teil- oder Hauptlebensraum. Durch die schnelle vegetative Vermehrung des Schilfes (Ausbreitung der Wurzeln) (= Schilfrohr, Phragmites communis), kommen nur vereinzelt konkurrierende Pflanzen vor, eine davon ist der Rohrkolben (Typha latifolia).
Teichrohrsänger (Acrocephalus scirpaceus) sitzen und verstecken sich im dichten Schilf, auch Haubentaucher, Blässralle, Stock-, Schell- Löffel- und Krikenten fühlen sich hier sicher.
Rotwangenschmuckschildkröten (Trachemys scripta elegans) sitzen scheinbar gelangweilt auf Holzstücken. Wer sich aber unvorsichtig nähert, kann sie nicht mehr entdecken, weil sie schnell den Schutz des Wassers suchen. Wasserflöhe – Sammelbezeichnung für zahlreiche Arten – leben in Stillgewässern zwischen den Halmen im Oberflächenwasser – im Winter in tieferen frostfreien Zonen und können zur Reinigung des Gewässers beitragen. Wasserfrösche (Rana esculenta) bevorzugen sonnige Uferpartien und offene Wasserflächen.
Graureiher (Ardea cinerea) ernähren sich von Fischen, die ihre Brut in Schilfzonen verstecken. Sie nisten meist auf hohen Bäumen. Im März besetzen die Graureiher Männchen die einzelnen Horste aus dem vergangen Jahr. Sie müssen ihr Nistmaterial und ihre Brut gegen Rabenkrähen verteidigen, die gerne Nistmaterial stehlen, um damit das eigene Nest zu bauen und bei verlassenen Nestern auch die Eier der Reiher fressen. Etwa 20 Paare nisten in der Flittarder Rheinaue auf Bäumen. Umgestürzte Bäume dienen den Graureihern als Ansitze.
Schilf bereitet Boden vor – Landgewinnung
Reste der Wurzelballen vermodern im Herbst und bilden neuen Boden. Sobald im Uferbereich eine Humusschicht entstanden ist, können andere Pflanzen hier wurzeln:
Weiden und Schwarzerlen wachsen und verdrängen gemeinsam mit anderen Pflanzen das Schilf; es entsteht der Auwald.
Die Wasserfledermaus – Myotis daubentonii
Fledermäuse gehören zu den vom Aussterben bedrohten Tierarten. Durch ihre Gestalt und ihr nächtliches Verhalten bereichern sie die Fantasie und Märchenwelt von jung und alt. Sie tragen Fell und säugen ihre Jungen mit Muttermilch, ihre Vorderbeine sind durch elastische Hautflächen zu Flägeln umfunktioniert.
Als Säugetiere ernähren sie sich vor altem von Insekten. Im Verlauf eines Sommers kann eine einzelne Fledermaus 0,5 – 1 kg Insekten vertilgen. Sie leben und überwintern gerne in Baumlöchern, Mauerspalten, Dachböden, Höhlen oder Stollen. Fluss- und Bachränder sowie parkartiges Gelände mit Wasserflächen sind ideale Jagdbiotope für die Wasserfledermaus. (Quellennachweis: INFO Naturschutzbund Deutschland e.V.)
In der Flittarder Rheinaue befinden sich ca. 30 Fledermauskästen als Schlaf- und Kinderstuben.
Landwirtschaftliche Nutzung der Aue
Eine intensive Flächennutzung als Ackerland führt dazu, dass Wildkräuter selten werden. Auen sollten schon aus diesem Grund möglichst extensiv als Wiesen genutzt werden, die einer Bewirtschaftung bedürfen. Dies kann durch regelmäßige Mahd oder durch Beweidung erfolgen. Während eine Mahd einen deutlichen Eingriff in das Ökosystem Wiese bedeutet, ist die Beweidung ein kontinuierlicherer Ablauf, der ein gesundes Mikroklima in Bodennähe erhält. Auch der Einfluss auf den Boden ist unterschiedlich. Die Mahd lockert den Boden eher auf und entzieht ihm Nährstoffe, eine Beweidung führt zur Verdichtung durch Vertritt, der Nährstoffentzug wird durch Tierkot ausgeglichen.
Die Grünlandnutzung in der Flittarder Rheinaue hat eine lange Tradition. Historische Karten belegen eine extensive Nutzung des Auenbereiches als Weideland. Von Bedeutung ist diese Nutzungsform unter anderem für am Boden brütende Vögel, wie z. B. den Kiebitz (Vanellus vanellus).
Gut beobachten kann man auch Wanderfalken, Bussarde und Turmfalken
Der Wanderfalke (Falco peregrinus) ist der König unter den Greifvögeln. Er ist der schnellste Luftjäger, große Entfernungen spielen keine Rolle. Mit hoher Geschwindigkeit jagt er seine Beute. Greifvögel rotten ihre Feinde nicht aus, sondern holen sich Überschuss aus der Natur, d.h. kranke und verletzte Tiere. Sie halten somit den Bestand gesund.
Der Wanderfalke jagt sehr unterschiedliche Tierarten und richtet sich nach dem Angebot in seiner Umwelt. So gehört zum Beispiel auch die Lachmöwe, ebenfalls ein sehr guter Flieger, zu seinem Beutespektrum.
Möwen und Wasservögel sind oft stark mit Giftstoffen belastet. Mit jedem geschlagenen Beutetier nimmt der Falke mit seiner Nahrung auch Gifte auf, insbesondere die gefährlichen chlorierten Kohlenwasserstoffe. Nur der sparsame Umgang mit Pestiziden lässt diesen Kreislauf durchbrechen.
Gebüsche, Hecken, Kopfweiden in der Aue
Hecken bieten Nahrung, Nistmöglichkeiten und Deckung sowie Schleich- und Wanderwege für die Tiere. Vom Spätsommer an sind die Früchte von Eberesche, Heckenrosen, Pfaffenhütchen und Sanddorn bis hinein in den Winter eine beliebte Vogelnahrung. Kopfbäume sind wertvolle Strukturelemente der Kulturlandschaft. Als Baumarten werden meist Silberweide (Salix alba) und Hohe Weide (Salixx rubens) angepflanzt.
Herausgeber:
Text: Angelika Schmitten, Amt für Landschaftspflege u. Grünflächen der Stadt Köln
Literaturnachweis: Nachtigall, Werner, Lebensräume, BVL München, 1986
Quellen: Dittrich, Bruno; Lebensraum Schilf, Beobachtungen zwischen schwankenden Halmen, LDF 1991 Müller, W.; Fliegende Jäger- Fliegende Beute, Greifvögel in unserer Landschaft, ZDF 1991
Redaktion: Dr. Ingrid Teucher und Marika Weeck, Abwasserforum Köln eV.
Bildmaterial: Titelbild Illustration: Karin Plotzky, Steb, AöR; Illustration Seite 1:
Petra Hoen, Stadt Köln; sonstige Illustrationen: Wolfgang Zeiske/J